Henley – dieser Ort sagt wohl den meisten Nicht-Ruderinnen und Ruderern wenig. Eine kleine Stadt, unweit von London, an der Themse gelegen, mit knapp über 12.000 Einwohnern. Doch Ruderinnen und Ruderer wissen, was Henley ist: eine ganz besondere, prestigeträchtige Regatta, die es schon seit 1839 (!) gibt und deren Besuch sich selbst die Queen zu ihren Lebzeiten nicht entgehen ließ.
Der Rennmodus? Ebenfalls äußert besonders. Im KO-System geht es im 1:1 immer eine Runde weiter, bis man ins Finale vordringt, um vor einer prall gefüllten Tribüne die Themse stromaufwärts zu bezwingen und sich dann als Siegerin oder Sieger krönen zu lassen – von einem der zahlreichen „Challenge Cups“. Denn die Rennen heißen nicht bloß „Männer-Einer“ oder „Frauen-Achter“, nein, sie haben allesamt einen Titel: der Männer-Einer „The Diamond Challenge Sculls“ oder der Frauen-Einer „The Princess Royal Challenge Cup“. Die Rennen werden, um es für die Zuschauenden interessanter zu machen, wild gemischt, und das Rennprogramm für den kommenden Tag erfährt man auch erst am Vorabend.
Mit fast 800 Meldungen war die kleine, beschauliche britische Stadt von Ruderinnen und Ruderern sowie von Zuschauenden überflutet. Erkennen konnte man sie schon bei der Ankunft: die Teilnehmenden teils in Sportsachen oder eben, wie die Zuschauenden, im für Henley üblichen Dresscode: die Herren im Anzug, die Damen mindestens im knielangen Kleid. Die Stadt lebt in dieser Zeit auf und alles dreht sich ums Rudern. Wirklich der Wahnsinn. Viele Einheimische stellen Zimmer oder gar ganze Wohnungen oder Häuser Ruderinnen und Ruderern zur Verfügung.
Als ich ein paar Wochen vor der Regatta gefragt wurde, ob ich im Frauen-Achter mitstarten wolle, überlegte ich nicht lange. Bis dahin hatte ich nur durch viele Erzählungen eine Vorstellung von Henley im Kopf. Kurz nachdem ich zugesagt hatte, sprang eine Ruderin ab und Cara sprang für sie ins Boot hinein. Und so saßen plötzlich zwei Limburgerinnen zusammen im Boot!
Ohne gemeinsames Training waren die Ansprüche nicht allzu hoch, zudem konnten wir die Gegnerinnen wirklich schlecht einschätzen. Für die britischen Vereine und Universitäten stellt Henley den Saisonhöhepunkt dar. Nicht wenige durchlaufen wochenlange Selektionsprozesse im Herbst, um dann ihre Boote monatelang für das eine Henley-Wochenende pfeilschnell zu trimmen. So wurden auch wir etwas überrascht. In Henley ist es oftmals so, dass man, einmal am Start zurückgefallen, große Schwierigkeiten hat, sich noch einmal nach vorne zu kämpfen … So war es bei uns leider auch und wir kamen nicht weit und scheiterten im Viertelfinale.
Aus sportlicher Sicht sicher enttäuschend, doch der Fokus lag schnell auf etwas anderem: die einzigartige Atmosphäre aufsaugen, dem britischen Wetter trotzen, sich herausputzen für das Stewards Enclosure und abends dann guten englischen Pimm’s No.1 im Pub genießen. Ja, es war auf jeden Fall eine Reise wert und eines der schönsten Rudererlebnisse, die ich je hatte!
Von Sophia Krause