Interview mit Mark Hinrichs „Einfach so drauflos rudern gibt’s nicht!“

Mark Hinrichs (Bildquelle: Nicky Hollaus)

Es zeigt sich keine Wolke am strahlenden Himmel, als ich Mark Hinrichs vom Limburger Club für Wassersport an seinem trainingsfreien Nachmittag 1,5 Stunden entfernt von Lissabon erreiche. Die deutsche Rudernationalmannschaft nutzt den Lago Azul bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr für ein 16tägiges Trainingslager, um in verschiedenen Bootsklassen Trainingskilometer zu sammeln.

Wie trainiert es sich denn in Portugal?

Mark Hinrichs schmunzelt: Zunächst einmal sind wir hier, um uns intensiv auf die Saison vorzubereiten, das warme, sonnige Wetter und die abgeschiedene Lage des Stausees helfen dabei aber sehr. Morgens ist es noch neblig, also beginnen wir mit einem Indoor-Workout, gehen erst um 10 Uhr auf das Wasser und am Nachmittag folgt dann die dritte Einheit.

Wie bist du nach der Trainingspause im Herbst in die neue Rudersaison 2023 gestartet?

Zunächst einmal war die Pause mit 3 Wochen ziemlich kurz, besonders weil ich darin mit einer Corona-Infektion und einer Zahn-OP beschäftigen musste.

Aber ich persönlich versuche am Anfang einer Saison für mich zu klären, worauf ich einen besonderen Fokus legen und hinarbeiten möchte. Insgesamt ermöglicht die kurze Pause, das Training auf einem höheren Niveau wieder aufzunehmen. Es geht dann darum, in den gewohnten Rhythmus und die Belastbarkeit hineinzukommen, damit man das hohe Trainingspensum, das pro Woche notwendig ist, gut bewältigen kann.

An unserem Stützpunkt in Dortmund besteht die reguläre Trainingswoche aus 13 Einheiten. Zu Beginn der Saison geht es um eine große Volumenintensität auf dem Wasser, also lange Strecken ohne Pausen, die intensive Arbeit im Kraftraum und am Ergometer. So lange das Wetter es zulässt, bauen wir auch Touren mit dem Rennrad ein. Im Verlauf der Saison kommen dann auf dem Wasser kürzere und intensivere Einheiten dazu.

In allen Phasen des Trainings geht es darum, Fehler abzustellen und sich technisch zu verbessern, umso besser ist man auf die eigentliche Saison vorbereitet. Einfach so drauflos rudern ist nicht.

Du investierst offensichtlich viel Zeit und Energie in das Rudern. Woraus ziehst du die Motivation für den Leistungssport?

Tatsächlich sind das gar nicht unbedingt die großen Momente, die ich schon erleben durfte. Es ist natürlich cool, bei internationalen Meisterschaften erfolgreich zu sein. Aber es macht mir unglaublich Spaß, mich in diesem Sport zu optimieren. Ich mag das Rudern an sich und das Arbeiten daran, besonders mit meinen Mannschaftskollegen das Zusammenspiel im Boot zu verbessern. Es kommt natürlich auch vor, dass ich im Wochenverlauf mal keinen großen Bock auf eine Trainingseinheit habe, weil ich schon im Eimer bin. Während des Trainings macht es dann schon wieder Freude. Mich persönlich treibt an, das was ich tue, so gut zu machen wie es geht und dabei Spaß zu haben.

Welchen Anteil nimmt das Rudern in deinem Leben ein?

Neben dem Rudern, das natürlich im Moment einen großen Anteil einnimmt, ist vor allem mein Studium an der Ruhr-Universität in Bochum zu nennen. Dort studiere ich Sozialwissenschaften, besonders interessiert mich dabei die Politikwissenschaft. Und wenn ich mich z.B. mit dem Zusammenspiel internationaler Interessengruppen beschäftige, drehen sich meine Gedanken nicht nur um das Rudern und das beschert mir einen guten und willkommenen Ausgleich.

Besonders viel Freizeit habe ich nicht, aber das ist gar nicht so schlimm. Wenn es passt, treffe ich mich mit Freunden aus den drei Welten, Uni, Rudern und Zuhause. Ich tausche mich gern mit meinem Bruder Tom aus und zwar nicht nur übers Rudern. Meine Familie gibt mir einen großen Rückhalt und ist immer für mich da.

Wenn ich mal Zeit erübrigen kann, schreinere ich Möbel, tüftele an Rädern und besuche ein Konzert. Und auf meinem kleinen Fensterbankgarten ziehe ich aus Früchten Pflanzen, zur Zeit Mangos. Insgesamt lebe ich das Leben, das ich mir wünsche.

Wie ordnest du das Ruderjahr 2022 im Rückblick ein?

Das ist schwierig. Es war eine riesengroße Erfahrung und auch Ehre im A-Team des Deutschen Ruderverbandes dabei zu sein. Das habe ich seit dem U23-Team angestrebt, zuvor im Jugendbereich war ich mir nicht so sicher, ob ich überhaupt so weit kommen könnte. Ich bin glücklich, den Sprung ins A-Team schon vorzeitig geschafft zu haben. Damit waren viele neue Erfahrungen verbunden und ich hatte mir viel vorgenommen, was leider so noch nicht eingetreten ist. Aber allein die Erfahrung nach dem U23-Achter jetzt in dem ‚Deutschlandachter‘ zu sitzen war riesig. Und auch wenn das Ergebnis bei der WM nicht zufriedenstellend war, so bleibt mir der Weltcupsieg in Posen als tolles Erlebnis. All meine Erwartungen an das erste A-Jahr haben sich nicht erfüllt, vielleicht war ich noch nicht ganz bereit und musste erstmal ankommen.

Dein Zweierpartner Tom Tewes und du wart die Ersatzleute für den Achter, wie ging es dir dabei?

Die Rolle war für mich neu. Sie schränkt die Kontinuität im Training ein, die im Boot wichtig ist und erfordert mehr Flexibilität. Wir haben oft im Training oder Wettkampf im Achter ausgeholfen. Das ist an sich eine interessante und wichtige Aufgabe, aber mental auch herausfordernd. Man weiß nie, was demnächst Sache ist. Der Weltcupsieg war sicher ein toller Erfolg, es war sehr cool dabei zu sein, aber ich präferiere sicher eine feste Position

Wie gehst du an die neue Saison heran? Was sind deine Zielsetzungen?

Ich glaube, ich bin etwas entspannter geworden, gehe aber mit unverändertem Ehrgeiz in die Saison. Auf jeden Fall bin ich motiviert, weiter an meinem Ziel und dem Standing hier im Team zu arbeiten. Die Ziele bleiben die gleichen, mein Fokus liegt darauf, mir 2023 und 2024 einen Platz in den Booten zu sichern, aber auch in dem Team und mit dem Team zu wachsen. Das ist sicher etwas, was ich aus dem letzten Jahr ziehen kann.

Weil du es gerade ansprichst, wie habt ihr als Team das letzte Jahr erlebt?

Es war durch den Mix an sportlichen Hintergründen eine Herausforderung. Junge Olympioniken, erfahrenere Ruderer und U23-Ruderer zusammenzubringen, das braucht, bis es zusammenwächst. Ich gehöre zu den drei Jüngsten der Gruppe, es ist tendenziell eine jüngere Gruppe. Die sportlichen Erfolge haben sich nicht sofort eingestellt. 2022 war schon eher ein Lernjahr.

Und momentan bist du in Portugal, was steht dort an?

Er lacht. Rudern natürlich! Es ist ein Trainingslager mit der deutschen Nationalmannschaft für Skullen und Riemen. Wir rudern auf einem sehr großen Stausee in schöner hügeliger Umgebung, der in diesem Winter einen hohen Wasserstand hat. Im ersten Trainingslager im Januar haben wir den Fokus auf die Großboote Vierer und Achter gelegt. Jetzt legen wir viele Kilometer im Zweier zurück, weil die erste Leistungsüberprüfung auf dem Wasser im Kleinboot stattfindet.

Was folgt auf die Vorbereitung in Portugal?

Zunächst folgt ein Trainingsblock in Dortmund, dem schließen sich im April die ungefähr einen Monat andauernden nationalen Ausscheidungskämpfe an. Danach sollte der Startplan zumindest für die Saison 2023 feststehen. Dann weiß ich auch, was 2023 international auf mich zukommen wird.

Wenn du es dir aussuchen könntest, favorisierst du eine Bootsklasse?

Eigentlich nicht, nein. Hauptsache, das Team im Boot passt gut zusammen und man kann gut miteinander arbeiten, das ist für mich das Allerwichtigste.

Danke für das Gespräch, Mark, und alles Gute für die Saison!

Vielen Dank und liebe Grüße nach Limburg, an meine Familie, Freunde, Nachbarn und natürlich den LCW!

Das Interview führte Tom Hinrichs